Informationen zu den Quellen

Patientenbriefe von Wilhelmine von L., Archiv des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, Patientenakte 519

Im Zuge der Institutionalisierung der Psychiatrie entstand in den deutschen Ländern ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Anzahl psychiatrischer Einrichtungen. In diesen herrschte die Praxis, einige Briefe der Patientinnen und Patienten nicht abzuschicken, sondern den jeweiligen Patientenakten beizulegen, sodass die Texte von den Ärzten als Belege für unterschiedliche Erkrankungen herangezogen werden konnten. Daneben sollte die Briefzensur dem Schutz der Patienten, ihrer Adressaten sowie der Einrichtung und Mitpatienten dienen (vgl. dazu Schiegg 2022: 127–138).

Die historischen Akten wurden in der Regel bis heute in den Nachfolgeinstitutionen oder staatlichen Archiven aufbewahrt, sodass uns ein enormer Umfang an Patiententexten überliefert ist. Dabei handelt es sich überwiegend um Briefe an die Familie und Bekannte sowie offizielle Schreiben an Ärzte und unterschiedliche Institutionen. Daneben sind von den Patientinnen und Patienten auch Lebensgeschichten, Schriftproben, sonstige Notizen und Zeichnungen überliefert (vgl. zu diesen Textsorten Schiegg 2022: 138–176).

Das Besondere an den Patiententexten besteht neben der großen Vielfalt sowohl privaten als auch offiziellen Schrifttums aus allen sozialen Schichten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auch in der ausgezeichneten Möglichkeit der kontextuellen Einbettung der Texte in individuelle biographische Kontexte. Diese lassen sich aus den weiteren Texten der Patientenakten, vor allem in Form von Krankengeschichten und ärztlichen Gutachten, erschließen. Auch für interdisziplinäre Perspektiven zwischen Sprachwissenschaft, Medizin- und Sozialgeschichte sind die überlieferten Quellen äußerst wertvoll.

Da lange keinerlei Überblick zur Überlieferungslage von Patiententexten existierte, wurden im Erlanger Forschungsprojekt diesbezüglich umfangreichere Recherchen in geschichtswissenschaftlicher Forschungsliteratur betrieben. Die dabei gefundenen über 170 Publikationen wurden hinsichtlich der (ehemaligen) Anstaltsorte in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Großbritannien und weiteren Ländern sortiert und in Form von Listen in Schiegg (2022: 551–556) veröffentlicht. Auch die Neufunde von Franziska Eber-Hammerl, Christina Eichhorn-Hartmeyer, Dr. habil. Lea Schäfer und Markus Schiegg sind dort aufgeführt.

Es ist zu erwarten, dass noch an zahlreichen weiteren Orten historische Patiententexte existieren. Auch wurden sicherlich einige Publikationen dazu noch nicht ausfindig gemacht. Über beiderlei Hinweise per E-Mail an markus.schiegg[at]fau.de freuen wir uns und nehmen sie gerne an dieser Stelle in eine nachwachsende Liste auf.


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