Text von Friedrich Wilhelm S., 23.02.1937

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ham20087s06

Informationen zum Text

Name Ort Datum
von Friedrich Wilhelm S. Hamburg 23.02.1937
an Bürgermeister: k. A. K. k. A. k. A.
Domain offizieller Brief
Regest Der Patient berichtet dem Bürgermeister von den Gründen für seine Einweisung und vom Verlauf seines Aufenthalts in der Anstalt.

Informationen zum Patienten

ID ham20087s
Name Friedrich Wilhelm S.
Geschlecht m
geboren 1889-04-07
gestorben unbekannt
Tätigkeit(en) Klempner
Ort(e) Thorn-Mocker📍
Religion protestantisch
Weitere Informationen
  • Familienstand: verheiratet, geschieden
  • Eltern: Vater: Zimmermann
  • Anstalt: 19.07.1935–28.03.1949
  • Verpflegungsklasse: k. A.
  • Brieftypen: pp: 2, po: 9, ao: 1
Diagnose Schizophrenie (1935), Dementia paranoides (1939), Verfolgungsideen (1935-49)

Bearbeiter des digitalen Dokuments (Transkription, Korrekturlesung)

  • Vera Schiller
  • Corinna Köhler

Nutzungsbedingungen

Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)

Nachweis Originaldokument

Archiv Staatsarchiv Hamburg
Sammlung Best. 352-8/7: Staatskrankenanstalt Langenhorn (Abl. 1995/2)
Nr. 20087

Informationen zur Schrift

Schreiber Medium Umfang
patient ink major
arzt crayon minor

Zitationshinweis

Schiegg, Markus (Hg.): CoPaDocs – Korpus historischer Patiententexte. <https://www.deutschestextarchiv.de/copadocs/>. Quelle aus: Staatsarchiv Hamburg, Bestand Staatskrankenanstalt Langenhorn (352-8/7, Abl. 1995/2), Patientenakte 20087, Friedrich Wilhelm S., Text von Friedrich Wilhelm S., 23.02.1937.
An einen hohen Senat der freienHansa-Stadt HamburgZu Händen des regierenden BürgermeisterK.. Ich Friedrich Wilhelm S.. g. d. 7.4.1889.zu Thorn-MockerMeine Frau. Anna S. g. K. gesch K.g.d.3.2.1896. zu Hamburg.Meine Kinder Gertrud. Hans-Peter. Fritz. Annaund Liese-Lotte. Alle bei der Mutter. Bin seit 28.11.1931 in der KrankenanstaltFriedrichsberg jetzt Langenhorn Interniert. Der Grund! ich lahs in der heiligen Schrift! meine Frausahs mir gegenüber und Stickte. Nun fragteich ihr, darf ich dir auch etwas Vorlesen?und sogleich Übersetzen? Da sagte sie wenndu das verfluchte Buch nicht lähst den steckich es in den Ofen! ich sagte ihr, dan bistdu eine Huhre! Eine zeit später nahm sie mein Marienebild von der Wand und hingein anderes an der Stelle. Warum sie es thatwuhste ich nicht! ich stellte es hinter den Schrank. Wir wahren doch aber immer noch gute Freunde! aber mein Mistraun gegen ihr Inneres wuchs in mir immer mehr. Meine Frau wuhste das ich die heilige Schriftliebte! und den Inhalt auch genau kante. Wirsprachen vor einer langen Zeit mal darüber. Dameinte sie was ich den führ ein Stamm wehr. Da sagte ich ein echter Germane. Ob sie meinen Kampf kante, wuhste ich nicht. Ob sie ihn heuteschon kent, weihs ich auch noch nicht. Nun kam ich mit der Geisterwelt in Gespräch! ich erschrakim ersten Augenblick. Hatte aber keine Angst. Denn ich wuhste ja aus der heiligen Schrift.das man nur Stimmen hört und nichts sieht.Denn Abraham hörte ja auch nur die Stimmeals er Isaack Opfern wolte. Das wissen wirja auch alle aus unserer Schulzeit. Eines Tageskam nun mein Schwager und Schwägerin Fritzevon Barmbeck zu uns. Wir sahsen alle an einemTisch! da sagte meine Schwägerrin was kanEsau daführ das Jakob ihm die Erstgeburtgeraubt hat? ich sagte die Wahrheit ist diehelige Schrift und liegt dort auf dem Schrank.Die beiden gingen nun bald vort! es wahr nurein kurtzer Abschiet! ich ging mit nach unten um die Hausthür zu Öffnen. Da sagte meineSchwägerrin zu mir, leg dich man auf dein Kannape und schlaf. Wir gingen nun auchbeide zu Bett, meine Frau schlief im Zimmermeiner Kinder und ich im anderen Zimmerauf dem Sofa. Nun wahren die beiden meineGedanken. Wer hat den gesagt das er Esauwahr? denn ich hatte mir nie mit den beidenweder Biblisch noch Politisch unterhalten.oder wollte er mich führ seine Sünden haftbarmachen? es ist aber nur ein Glück das ein jederführ seine Sünden selbst haftet. Also kurtzich wahr vertig. Die Feindschaft zwischen mirund meiner frau wuchs immer mehr! ichwurde aber geistig immer stärker. Meinen Kindern lies ich mir nichts anmerken. An einem morgen komme ich in die Kücheda gab mir meine Frau einen Apfel! ich fragte was der soll? da meinte sie Essen und lachte dabei. Er wahr mir zu Sauerund legte ihn vort. Am Sontag kam es nun zwischen uns beiden zu einem grohsen Krah.Am negsten Tag schickte sie durch meinerTochter Gertrud einen Brief zur Polizei Veddel.Ein par Tage später kam ein Polizeibeamterzu mir und fragte wie es mir geht! ich sagtedanke und er ging. Am Mitwoch kam es wiederzum Krach ich hatte keine Ruhe führ ihr. Sie ging zum Artzt ich wahr gerade in der Kücheund kochte für mich Kaffee. Es klopfte undschon standen zwei Sipo und ein Arzt vor mir.Er sah das ich den Kaffee aufgoss und gingins Zimmer wartete bis ich kam. Nun botich jedem eine Tasse Kaffee an die beiden Sipotranken. Der Arzt aber nicht der steckte sich eineZigarette an. Auf dem Tisch lag ein Album mitLiebeskarten es wahren ungefähr 300 Karten. ich wolte sie verbrennen! ich sagte mir meine liebe deine liebe. Nun fingen die drei Herrnsich mit mir an zu unterhalten. Nunerkante ich in den einen Sipo einen Landsmann.Die Unterhaltung wahr nun von unser altenHeimat. Wir unterhielten uns wohl 35 Jahre zurück. Der Sipo Bestätigte es dem Arzt dases alles so ist wie ich es ihm gesagt habe. Auch sah er das ich Geistig auf der höhe bin nahm seinen Koffer mit der Zwangsjacke und ging. Der saure Apfel hat nicht gewirkt. Der Sieger blieb ich. Nun Überlegte auch ich was ich thun könnte? ich wolte zu meinemHausarzt gehen und den die Sache vorstellendenn ich hatte sonst auch keinen Freund den ich mir Anvertraun konte. Denn selbstBibelforscher wihs ich von meiner Thür. Also auch dort hatte ich keinen Freund! Ich freutemich aber das es doch Menschen giebt die Gottsuchten und führ ihn etwas thaten. Denn ich that ja im Grunde das selbe. Jesu sagte ja bittet so wierd Euch aufgethan. Dieses istdoch die heilige Schrift die jedem vonMartin Lutter Übersetzt wurde. Nun kam der Sonabend der 28.11.31 ich ging zum Stempeln.Meine Frau hatte führ mich ein Hemd Unterhoseund Strümpfe führ mich Gewaschen! ichmerkte nun was sie wolte. Nun sagte sie wir wollen zum Arzt gehen! ich sagte lahsdich erst mal selbst Untersuchen und ging zum Arbeitzamt. Auch hier merkte ich schon das der Beamte der meine Karte Stempelte das auch er über meine Internierung im bielde wahr. Nun ging ich durch den Freihaven nach der Vesklaich überlegte was ich thun kan? ich wuhstedas ich nun eine schwere Zeit entgegen gehe!ich aber hielt mich tapfer und verbarg führjeden meinen Schmerz. Denn nur ich wuhstewarum es geht. Nun kam ich nach hause. Meine Frau und ich Katz und Hund. Meine frausagte um 10 Uhr komt der Arzt! ich sagte nichts. Sie nahm mein Hemd und wolte es plättenich riss es ihr aus der Hand und zeriss esin zwei theil. Nun sagte ich ihr was ich thun will das thue ich selbst da brauche ich keinWeib zu, Wir wahren gerade im Krach da kam mein Sohn Hans-Peter aus der Schulesie sagte hol mal die Sipo. In 10 Minutenkamen 2 Mann um mich zu hohlen. Die fragtennun was hier lohs währ? da sagte meine Frau ich hätte sie geschlagen, ich hatte ihr aber nur auf die Hand gehaut!und sagte von einem Weibe lahs ich mir nichtzum Sklaven machen. Nun hatten sie aber einen Grund mich mitzu nehmen! ich sagte nun zu den beiden Sipo sie bleiben nun 10 Minuten in meiner Wohnung und ich gehe selbst zur Wache.Die beiden blieben in der Wohnung und ich gingzur Wache. Nun wartete ich vor der Thür bis sie kamen! und sagte so meine Herrn nun könnenwir rein gehen! und gab mich so freiwilligin die Hände meiner Feinde. Nun wartete ich½ Stunde auf den Arzt! der kam aber nicht! der wolte wohl mit der Sache nichts zu thun haben.Auch wuhste er das ich Geistig auf der höhe bin. Nun zog sich einer der Sipo Zievil an und wirgingen zu einem Arzt nach Rotenburgsort.Der Sipo wuhste aber auch keinen Bescheit. Nun half ich ihn den Arzt Suchen! er wohnte am Wasserwerk in Rotenburgsort. Der Sipo Klingelteder Arzt kam und wir gingen nun in sein Sprechzimmer. Als wir nun Plats genommenhatten, sagte ich ihn schon vor meiner Untersuch-ung er möchte mich zu dem Herrn Provessorhin schicken der auf mich wartet. Nun fragteer mich was wir führ eine Jahreszahl hätten?ich sagte 1930 und sagte ihn er möchte seineBrille abnehmen damit er besser Sehen kan.Das genügte nun führ meine Überführung in eine Irrenanstalt, um meinen Geisteszustand untersuchen zu lahsen! wir gingen nun wiederzur Wache Veddel. Nun wartete ich ½ Stund auf denWagen! ich wurde nun nach Waffen Untersucht!also gleich eines Verbrechers! dan ging es lohsnach Friedrichsberg. Wir kamen dort an! ich wurde Gebadet und Gewogen! Ich wog 118 Pfd.also Körperlich verhungert. Aber an Geistwahr ich noch Stark genug um mich zu verteidigen. Abends kam nun der Arzt! fragt mich wie ich heihse und stellte mir ein par schwereFragen! die ich ihn Promp Beantwortet habe!dan sagte er wie wollen ihn mal Punktieren lieber einen führ tausend. Am negsten Tag wurde ich nun Untersucht! ich sagte ihn nun was ich gesehn und gehöht hatte. Er stelte mir noch ein parBiblische fragen die ich ihn Beantwortet habeund konte gehen. Nun lag ich 11 Tage im Bett, dankonte ich Aufstehn. Körperlich nahm ich schnel zu. So aber auch an Geist. Nun kam Weihnachten! ich dachte an meine Famielie! aber ich hatte mich geteuscht. Anstat Urlaub zeigte man mir den roten Stempelauf der Akte. Nun fragte ich den Herrn DocktorLange-Lüdecke was der Bedeutet? da sagte er mirsie haben Prg. 22 da meinte ich was der dennbedeutet? da sagte er mir Gemeingefährlich!ich sagte über diesen Punkt reden wir noch undging. Meine Frau kam alle 14 Tage um mich zu Besuchenso kam sie auch an einem mittag um mit dem Arzt zu sprechen. Sie sahs auf einer Bank undweinte! ich konte aber nicht mit ihr weinendenn ich wuhste das ich als Seher Interniert wahrund führ eine Entlassung gar nicht in Fragekomme. Meine Frau meinte der Herr Docktor hätte ihr gesagt Stimmen hören währ eine Teuschungda sagte ich sag mal dem Herrn er hätte sich selbst getäuscht. Meine Frau kam nun immerwenieger! ich sagte Anna es ist für uns beidebesser wenn wir auseinander gehen. Sie meinte ob ich mit dem Arzt darüber gesprochen hätte? ich sagte ja! er hatt aber Abgelehnt. Nun sagte ich du gehst hin und reichst selbst die Sache ein. Sie kam wieder, und sagte, sie währ auch Abgewiesen. Nun kam sie Überhaubt nicht mehrAlso auch sie wurde Wissentlich Betrogen! undmir mit den Kindern gestohlen! ich aber muhsteSchweigen. Im Jahre 1932 trat ich nun vor dem Herrn Dr Lange wie es mit dem Urlaub währ? die Antwort wahr sie haben Prg. 22. fragen sie bei der Behördean, woführ sie ihn haben? auch halten wir sie nicht vest. Nun fragte ich bei der Behörde an!ich wartete 4 Wochen. Die Antwort wahr da! nunfragte ich dem Herrn Dr woführ ich den Gemeinge-fählichen Prg. hatte? die Antwort wahr, darübermüssen wir ihn die Auskunft verweigern. Im Jahre 1933 fragte ich nun dem Herrn PrvessorRittershaus, ob mans auch Interniert wird,wenn man an Gott glaubt? dieses wurde mirunter Zeugen dadurch Bestätigt, das man imKriege mehr Interniert hatte die an ihn glaubten.Nun wuhste ich was ich wissen wollte. Ein par Wochen später wurde ich Untersucht undGesund geschrieben. Dieses Gutachten ging aber nicht in meine Hände, sondern an derBehörde! und ich wurde weiter Interniert. Im Jahre 1934 habe ich nun durch den Herrn ProfessorWeygand die Deutsche Wissenschaft zu einen Vortragüber die Heilige Schrift woführ ich als Seher,Interniert bin! Eingeladen! Auch wissen sie, das ich nicht an einer Idee leide! songern das man mir die Heilige Schrift mit dem Bemerken in meine Wohnung brachte! wir müssen einen Schlüssel haben der sie Öffnet! also im Auftage der Deutschen Wissenschaft! Der Brief wahr folgender:Mein Kampf gegen Sünde die führ mich Unbe-kant wahr und gegen sie Kämpfte. Was wahr die erste Sünde der Menschen? währwar Schult daran Gott? oder der Teufel! Der Mensch und seine Pflanzung. Was ist der Geistim Menschen? ist es einer oder sint es zwei!wie komt der zweite im Menschen. Ist der Menschsterblich oder nicht? währ zeigte mir dieses.Wehr wahr Abraham. Isaak und der Widder! Wer wahr Jesu? was heist Ehebruch? Hurerei?Kuppelei und Zauberei. Was heist Krieg? und woherkomt er? von Gott? oder vom Teufel! Warum wahrder Weltkrieg 14 - 18. Warum wurde Deutschlandvom Teufel Isoliert? Warum gab Gott die Heilige Schriftden Namen Testament? Ist dieses bei Gott auchAnfechtbar? währ sucht dieses zu verhindern.Was meinte Jesu mit dem Ungesäuerten Brot undmit dem Sauerteig? wehr raubt den Menscher das Brot und giebt ihnen den Sauerteig des Teufels. Ist Gott Liebe oder Lüge? wehr trägt den Mantel der Lüge. Nun nahm man auch von NationalsozialistischerSeite bei mir Fühlung da man merkte das ich kein Feind der Deutschen bin! mit dem Bemerken wirmöchten dich gern in unser Partei haben! da sagteich wenn mir Euer Führer das mit seiner Unter-schrift giebt, führ wehn er Kämpft? auch machte ich Ihnen darauf Aufmerksam das Gott mir keinerPartei (d) oder Konfesion oder Kirche etwas zuthun hätte! das der Mensch selbst die Kirche ist.Aber alle Antworten blieben vort. Nun möchte ich Ihnen darauf Aufmerksam machen! das es nach dem Germanischen Recht und Gesetz Freiheitsberaubungist! was sie an mir thun. Denn ehe ich einen Menschen in Sicherheitsverwahrung bringen, erst vor ein Gericht stellen damit er sich erst Rechtvertiegen kan.Und das Wünsche auch ich! wenn ich auch Staten-los bin. Denn Sie wissen doch, Sie haben wederGrund, noch Recht mich zu Internieren.Verzeihen Sie bütte meine Otograhfischen Fehler. Friedrich Wilhelm S. An einen hohen Senat der freien Hansa-Stadt Hamburgzu Händen des regierenden BürgermK.Klgch 9. III 37