Aplerbeck i. W., den 8. Juli 1895.
Sehr geehrter Herr Seminarlehrer!
ad act S.Provinzial-Anstalt.J.-Nr. ...
Herrn Seminarlehrer K., Wohlgeboren,Neu-Ruppin,
Brauder.
Durch ein Schreiben − das erste seit Weihnachten −von meinem Vormunde erfuhr ich, daß meineTochter
leidend gewesen sei, sich bei Ihnen erholthabe, nun aber nicht
länger bei Ihnen bleibenkönne. Da ich sie bei Ihnen gut aufgehobenweiß, so erlaube ich mir in der Hoffnung, daßsie Ihnen zu Klagen keine Veranlassunggegeben hat, die
ergebenste Bitte, wenn möglichsie noch einige Zeit zu behalten,
weil ich von demEinflusse ihrer
Mutter, die ganz und gar im Fahrwasser der Mindener Freimauerer schwimmt, keinen Vorteil für ihre sittliche Bildung
erwar-ten kann. Durch den unglücklichen Ehescheidungs-Prozeß, zu welchem sie sich hat verleiten, beredenund verführen lassen, bin ich aus meiner Stellungimmer tiefer
gedrängt bis in's Irrenhausselbst
selbstredend unter Beihülfe
der Loge und ihrer Helfer. Bei diesen
herrscht das eigentümliche Prinzip
vor, ihre Opfer auch noch (für) das ihnen zugefügte Unrecht büßen zu lassen. Bei ihrer großen Geschicklichkeit im Verleum-den und Verlästern und der weiten Verbreitung ihrer Organe sind sie dabei sehr gefährlich.
Weil ich über die mir gewordene
Behandlungmehr oder weniger sorgfältig Tagebuchgeführt
hatte, worin ich allerdings rücksichtslosdie Wahrheit gesagt
hatte, wurde ich für geistes-gestört erklärt und in's Irrenhaus
gesteckt.Darin sitze ich nun fast 8 Monate und weißnoch nicht, wann ich werde entlassen werden.Thatsachen, die nach Ort, Personen und Zeit angege-ben sind, können
doch ohne Prüfung nicht ohneWeiteres als Gespinnste einer erregtenFantasie betrachtet werden. Je länger aberdie
Zeit darüber verstreicht, desto schwerermuß
muß naturgemäß der Nachweis der Wahrheitsein. Entschuldigen Sie gütigst diese Abschweifungund gestatten Sie mir, meine Bitte umweiteres
Behalten meiner Tochter ergebenstzu wiederholen.Mit verbindlichsten GrüßenIhrS.Taubstummenlehrer a. D.aus Petershagen.