Aplerbeck i. W., den 20. Juni 1895.
ad Acta S.
Provinzial=Irren=Anstalt.J.-.Nr....
BeschwerdedesTaubstummenlehrers F. S.aus Petershagen a/d Weserwiderdas Königliche Amtsgerichtdaselbst, bzw. Königliches Land-gericht zu Bielefeld.
Andas Königliche Oberlandes-Gericht zuHamm.
Unterzeichneter ist auf Grundeines Attestes von DirektorDr. Schäfer zu Lengerich1 Anl. (über Notizen, in denen er dieihm durch die Freimaurer=LogeAurora zu Minden gewordeneBehandlung in allerdings flüch-tiger, überhasteter Weise dar-gethan hatte) unter dem 15. Maivorig. Js. entmündigt, am 7. Novemberv. Js. 3 Tage widerrechtlich imGe
Gerichts=Gewahrsam gehalten, am10. November in die Provinzial=Irren-Anstalt Marienthal b. Münsterund am 5. April d. Js. nach hiertransportiert. Ein beim Königlichen
AmtsgerichtPetershagen gestellter Antragauf Bestellung eines anderenVormundes und
Entlassung ausder Irren=Anstalt hat trotzwiederholter Beschwerden beimKöniglichen Landgericht zu Biele-feld (19. Febr.
u. 9. Mai) und einmaligerbeim Königlichen
Kammergerichtzu Berlin (25. Mai) erst unter
dem8. Juni d. Js. in eigenhändiger,
beglaub.Abschrift beigefügte Antworterhalten. − Wenn nun auch der Vormundnicht gehalten
ist, Anfragen inBezug auf des BeschwerdeführersFamilie und Vermögen zu beant-worten, so dürften diesbezüglicheAnfragen in Anbetracht, daß er3 Jahre und 2
Monate von seinerFa
Familie getrennt lebt und nichtweiß, wo
seine Kinder sich auf-halten, auch eine Lebensversicherungs-Police über 3000 Mk, sowie mehrereAußenstände in Frage stehen, dochzu entschuldigen
sein. Mag fernerauch die 3. Klasse der Irren=Anstaltseiner augenblicklichen Vermö-genslage entsprechen,
so dürftedoch der Unterhalt in entsprechen-der
Wäsche, Kleidung u. s. w.vom Vormunde zu bestreiten sein,weil vom Vormundschaftsgericht600 Mk für seinen Unterhalt biszum 1. Juni ds. Js. ausgesetzt warenund im vorigen
Sommer biszum 10. November noch nicht 200
Mkfür ihn verwandt sind; denner erhielt Mitte Juni 30 Mk,am 5. Juli 50 Mk am 22. August40 Mk, am 26. September 40 Mkund am 3. November 40 Mk, dagegenim Oktober gar nichts,
so daß ergezwungen war, mit seinerHände
Hände Arbeit sich das Geld fürPorto zu
verdienen und auf Kostenseiner Mutter, einer unbemitteltenLeibzüchterin, zu leben. Daß erfür sein krankes
Bein in solcherLage nicht die nötige Kur gebrauchenkonnte und daher noch daran leidet,ist nach
Vorstehendem erklärlich. Aus alle dem geht aber zurGenüge hervor, daß sein Vormundihn ohne genügende
Unterstützunggelassen hat. Wenn derselbe
aber schon vor desBeschwerdeführers Entmündigungeine falsche Zeugen=Aussagegemacht hat über Äußerungendes Postboten S. in
des Unter-zeichneten Hause, die dieser in seinerBeschwerde an das Königl. Land-gericht zu Bielefeld unter dem19. Febr. ds.
Js. näher bezeichnethat, so ist damit auch dessen mo-ralische Unfähigkeit nachgewiesen.Königliches
Provinzial=Irren=Anstalt.J.-Nr. ...Aplerbeck i.W., den ...
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Königliches Oberlandes-Gericht bittet Unterzeichneter daherergebenst, Königl. Amtsgerichtzu Petershagen anweisen zuwollen, umgehend
einen andernVormund für ihn zu bestellenbezw.
seine Entlassung aus derIrren=Anstalt zu bewirken. Sollte die so ungebührlichverzögerte Angelegenheit
nichtbaldigste Erledigung finden, sowürde er
sich gezwungen sehen,sich nochmals beschwerend an dasKönigl. Kammergericht zuwenden. Königlichen Oberlandes-GerichtsergebensterS.Taubstummenlehrer a.D.